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  • Nicole Oedelshoff

Ernährungstipps im Netz: So entgehen Sie Halbwahrheiten und dem Tunnelblick

Wir leben in einer Überflussgesellschaft. Das betrifft neben Essen, Kleidung oder Technik auch das Informationsangebot. Es war noch nie so leicht, so schnell und kostengünstig an Informationen zu kommen wie heute. Die Recherche zu einem Gesundheitsthema im Internet liefert innerhalb von Sekunden Tausende Links mit passenden Informationen. Und doch fühlen wir ein ständiges Informationsdefizit. Denn es gibt kein Lektorat, keine Kontrolle und kein Auswahlverfahren zur Qualität der Informationen. Deshalb gibt es auch immer mehr Halb- und Unwahrheiten – besonders im Netz. Da aber recherchieren wir häufig als Erstes. Das führt zu einer immer größeren Verunsicherung. Wie können wir die ganzen Informationen zukünftig besser filtern und einordnen?

Mit der Qualität von Informationen ist es wie mit gutem Essen: es braucht Zeit, schlichtweg mehr Zeit als momentan gemeinhin dafür aufgewendet wird.


Begrifflichkeiten und Problematik

Im Zuge der weltweiten politischen Veränderungen hat der Einfluss sozialer Medien, Trolle im Internet und die Verbreitung von Falschinformationen eine hohe Bedeutung bekommen. Doch auch im Gesundheitswesen spielen Art und Qualität angebotener Informationen eine immer wichtigere Rolle. Mehreren Untersuchungen zufolge verbreiten sich Falschmeldungen wesentlich schneller und vielschichtiger als positive. Die Informationen können dabei falsch, manipuliert, unvollständig, einseitig oder veraltet sein, sind unsystematisch oder nicht von unabhängiger Seite geprüft. Dabei ist zwischen verschiedenen Begrifflichkeiten zu unterscheiden.

Die Desinformation wird als „nachweislich falsche oder irreführende Information, die mit dem Ziel des wirtschaftlichen Gewinns oder der vorsätzlichen Täuschung der Öffentlichkeit konzipiert, vorgelegt und verbreitet wird und öffentlichen Schaden anrichten kann“ definiert

.

Laut Wikipedia werden unter Fake News hingegen manipulativ verbreitete, vorgetäuschte Nachrichten verstanden, die sich überwiegend im Internet, insbesondere in den sozialen Netzwerken und anderen sozialen Medien (viral) verbreiten. Eine einheitliche Definition allerdings ist schwierig. Der Begriff wird hierzulande auf verschiedene Weise verwendet: für Falschmeldungen und Hoaxes, für Clickbaits, Gerüchte, Tatsachenverdrehungen, satirische Nachrichten oder auch Propaganda. Viele Fake News, die über das Internet verbreitet werden, enthalten politische Informationen. Doch auch im medizinischen und ernährungswissenschaftlichen Bereich gibt es immer wieder falsche Fakten, die gezielt veröffentlicht und platziert werden, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen.

Im Bereich der Gesundheitsinformationen aber geht vermutlich eine weitaus höhere Gefahr von Halbwahrheiten aus. Hier mischen sich oft korrekte mit unkorrekten Tatsachen. Oder aus korrekten Informationen werden falsche Schlüsse gezogen. Fast immer gibt es einen wahren Kern, der übertrieben oder in die falsche Richtung verzerrt wird.

Fakt ist: Niemand ist vor Fehleinschätzungen sicher. In einer Welt, in der die Komplexität derart zugenommen hat, wird es immer schwieriger, Brauchbares von weniger Brauchbarem zu unterscheiden. Aber es gibt Kriterien und Werkzeuge, mit denen Informationen aus Suchmaschinenergebnissen, aus Social Media und von Websites sowie Printmedien leichter beurteilt werden können. Diese helfen uns dabei, verantwortungsvoll mit Informationen umzugehen.


Pflegen und Reflektieren verschiedener Informationsquellen

Es gibt zwei Dimensionen, verantwortungsvoll mit Informationen umzugehen. Einerseits bedarf es der Pflege und Qualitätssicherung selbst veröffentlichter Informationen. Das betrifft die eigene Website, aktiv genutzte Social Media oder jedwede eigene Veröffentlichung in klassischen oder digitalen Medien. Andererseits bedarf es der Prüfung und Beurteilung von Informationen, die für die eigene Meinungsbildung genutzt wird. Auch kann es zwischen der beruflichen und privaten Nutzung zu unterschiedlichen Anforderungen kommen.


Websites und Medien allgemein

Stöbert man in den Onlinenews über Ernährung und Gesundheit bei Focus, Stern, Elle und Co drängt sich der Verdacht auf, dass hier eine übersteigerte ängstliche Aufmerksamkeit des Verbrauchers ausgenutzt wird und ohne Empathie oder einen Blick für die Zusammenhänge vorschnell bewertet wird. Diese Artikel zeigen kein Interesse am Verständnis des Problems, sondern an einer möglichst breiten Aufmerksamkeit. Die erreicht man heute oft nur noch mit lauten, reißerischen Titeln. Substanz ist da nicht mehr so wichtig. Man könnte auch sagen: Eine immer breitere Palette an Artikeln zeigt immer weniger den Anspruch, einem (Gesundheits-)Problem wirklich auf den Grund zu gehen. Sie dürfen bei reißerischen Schlagzeilen, Warnungen, Versprechen, Aufforderungen und Superlativen also durchaus skeptisch sein.

Denn diese „Stilmittel“ verhindern den Blick auf das Klare. Je komplexer ein Thema oder Problem ist, desto größer ist das Bedürfnis nach einfachen Lösungen. Das trifft insbesondere auch auf große Gesundheitsthemen wie Abnehmen, Krebs oder die richtige Ernährungsweise zu. Das Internet ermöglicht dabei eine immer schnellere Verbreitung von Werturteilen – wie sich am Beispiel der veganen Ernährung in der Presse und in den sozialen Medien gut verfolgen lässt. Diese Urteile werden mit der Zeit immer drastischer. Der eigene Handlungsspielraum aber wird mit jeder Bewertung gefühlt weiter eingeschränkt. Das Ergebnis: Viele fühlen sich in Bezug auf die eigene Ernährung vorschnell angegriffen, wehren ab oder setzen zum Gegenangriff an. Und: Die Verunsicherung steigt.

Abhilfe schaffen hier nur gut aufbereitete Informationen und die Fähigkeit, sich seine eigene Meinung unabhängig von bereits bestehenden Urteilen zu bilden. Das trifft auch auf Ernährungsfachkräfte zu. Das folgende Bild veranschaulicht dabei mögliche Kriterien, die zur Beurteilung von Websites und News aller Art herangezogen werden können.


Social Media im Speziellen

Das größte Risiko, selbst Unwahrheiten und Halbwahrheiten zum Opfer zu fallen, sind Experten zufolge die sozialen Medien. Facebook, Twitter, Instagram und Co sind eine schier unerschöpfliche Quelle an neuen Informationen – zu jeder Tages- und Uhrzeit. Nahezu jeder ist in einem oder in mehreren sozialen Netzwerken angemeldet und nutzt diese aktiv – teilweise nur privat, teilweise auch beruflich.

So landen täglich News in der Timeline, meist von Bekannten, Kollegen und Freunden. Oftmals werden auch fremde Profile abonniert, wenn sich der Nutzer durch deren Inhalte angesprochen fühlt. Ein Großteil der Informationen aus den Social Media wird von nicht öffentlich bekannten Personen erstellt und geteilt. Es gibt nur wenige verifizierte Profile. Konträre Meinungen oder Widersprüche tauchen in der eigenen Timeline dabei verhältnismäßig selten auf. Wissenschaftler sprechen hier auch von einer Filter Bubble (Filterblase) oder Echokammer.

Dadurch verändern sich nach und nach die Gewohnheiten, ohne dass der Nutzer es bemerkt. Es ist bequem, auf Facebook oder Twitter nur noch einzelne kurze News zu lesen, die die eigene Meinung bestätigen. Entsprechende Algorithmen sorgen dafür, dass zunehmend nur Inhalte und Profile vorgeschlagen werden, die ebenfalls die eigene Meinung bestätigen.


Suchmaschinen und Newsfeeds im Speziellen

Suchmaschinen wie Google sind jederzeit bestrebt, von Ihrem Suchverhalten zu lernen und Ihnen möglichst Informationen anzubieten, die Sie gebrauchen können. Diese zunehmend personalisierten Ergebnisse sind in Anbetracht der angebotenen Fülle an Informationen durchaus erwünscht. Sie bergen aber auch das Risiko, immer weniger objektive Ergebnisse angezeigt zu bekommen.

Die den Suchmaschinen und Social Media-Plattformen zugrunde liegenden Algorithmen bedienen und verstärken das Bedürfnis, nur das zu erfahren, was die eigene Meinung interessiert und bestätigt. Untersuchungen zeigen, dass auch die Entscheidungsfindung durch Google-Ergebnisse massiv beeinflusst werden kann.

Zudem berücksichtigen Suchalgorithmen in der Regel kaum qualitative Kriterien. Die meisten Menschen denken, dass die ersten Suchergebnisse automatisch auch die besten seien. Das ist in der Praxis nicht zwangsläufig der Fall. Dabei lässt sich die Suche beliebig anpassen. Es kann gezielt nach wissenschaftlichen Aufsätzen, nach Dokumenttypen, nach Datum oder Land gefiltert werden. So ist ein breites Spektrum an Informationen und Quellen möglich.

Dass qualitativ hochwertige Informationen etwas länger brauchen, um sich im Suchmaschinenranking vorn zu positionieren, lässt sich gut an den Google News erkennen. Wer die News zu Gesundheit und Ernährung abruft, wird neben durchaus gut recherchierten Artikeln auch mit Halbwahrheiten, reißerischen und lauten Schlagzeilen konfrontiert. Diese bieten teilweise sehr wenig Substanz, generieren aber anscheinend umso mehr Klicks.


Fazit

Neben all den Vorteilen, die das heutige Informationsangebot bietet, gibt es auch einige Schattenseiten. Die Menge an Halbwahrheiten, Fake News und subjektiven Suchergebnissen steigt. Dem ist aber niemand zwangsläufig ausgeliefert: Es gibt Kriterien und Werkzeuge, mit denen eine gute Auswahl und Einordnung von Informationen möglich ist. Wer möglichst verschiedene Informationskanäle nutzt, nicht jede Bewertung automatisch übernimmt und auch mal andere Meinungen aushält, kann sich mehr und mehr objektive Standpunkte zu einzelnen Themen aufbauen. Zugegeben: Das ist mit einigem Aufwand verbunden. Aber das sollte uns in unserem eigenen Interesse und im Interesse aller nicht abschrecken. (Quelle: Fachgesellschaft für Ernährungstherapie und Prävention, 12/2018, fet-ev.eu)

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